KiSS-Syndrom - Merkmale und Ursachen
1. Definition und Beschreibung des KiSS-Syndroms
Das KiSS-Syndrom ist ein Begriff aus der Pädiatrie (Kinderheilkunde) und bezeichnet ein spezifisches Störungsbild, das primär bei Säuglingen und Kleinkindern vorkommt. Die Abkürzung KiSS steht für kopfgelenkinduzierte Symmetrie-Störung. Gemeint ist damit eine Blockierung des oberen Bereichs der Halswirbelsäule, die mit einer Fehlstellung einhergeht. Daraus können langfristig Probleme im gesamten Organismus entstehen, die sich in Form von Funktions- und auch Entwicklungsstörungen bemerkbar machen. Dazu zählen beispielsweise verschiedene neurologische, motorische und psychische Auffälligkeiten, die in jedem Fall eine sehr genaue Diagnostik erforderlich machen, um geeignete therapeutische Unterstützung zu ermöglichen.
1.1. Begriffserklärung und historische Entwicklung
Die Diagnose KiSS-Syndrom ist in der Fachwelt hoch umstritten und wird vor allem im Kontext der Alternativmedizin verwendet. Im angloamerikanischen Sprachraum exisitiert die Diagnose nicht. Es gibt keinen wissenschaftlich anerkannten Nachweis für das Krankheitsbild, entsprechend wird auch die Behandlung in aller Regel nicht von den Kostenträgern (Krankenkassen) übernommen.
Die evidenzbasierte Medizin lehnt die Diagnose ab, da es weder standardisierte Kriterien noch umfassende Studien gibt, die das KiSS-Syndrom belegen. Der Begriff KiSS-Syndrom wurde in den 1980er Jahren von dem Chirurgen und Manualmediziner Heiner Biedermann entwickelt, der damit die Fehlstellung der oberen Halswirbelsäule definierte. Zunehmend mehr Therapeuten machten die Beobachtung, dass eine größere Anzahl von Kindern gleichzeitig Auffälligkeiten im motorischen Bereich und eine Fehlstellung an der Halswirbelsäule zeigten.
Daraus resultierte ein wachsendes Interesse an umfangreicheren Untersuchungen. Es gab unterschiedliche Ansätze und Sichtweisen hinsichtlich einer Diagnosestellung und therapeutischen Intervention. Es gibt bis heute keine detaillierten wissenschaftlich anerkannten empirischen Studien. Diese sind jedoch erforderlich, um die Mechanismen des Störungsbildes eine belastbare und eindeutige Ursache zu definieren.
1.2. Charakteristische Merkmale und Erscheinungsformen
Die typischen Merkmale des KiSS-Syndroms sind vielfältig und umfassen sowohl den physischen als auch den neurologischen Bereich. Besonders häufig zeigt sich eine asymmetrische Haltung des Kopfes bei gleichzeitiger Einschränkung der Kopfbeweglichkeit. Die Rede ist dabei meist von einem sogenannten Schiefhals (Torticollis), der oftmals mit schmerzhaften Verspannungen im Nacken einhergeht. Neben den körperlichen Symptomen fallen betroffene Kinder durch eine insgesamt erhöhte Reizbarkeit
auf. Mütter stellen regelmäßig deutliche Schwierigkeiten beim Stillen fest. Das Kind kann hier keine entspannte Körperhaltung finden und fühlt sich entsprechend unwohl. Unruhezustände prägen den Alltag, und auch Schlafstörungen sind im weiteren Verlauf keine Seltenheit. Generell sind die Symptome keineswegs bei allen Kindern gleich oder auch nur vergleichbar ausgeprägt. Es gibt Kinder, die sämtliche der genannten Auffälligkeiten zeigen, jedoch nur in einer sehr leichten Form. Die Beeinträchtigungen sind dadurch weitaus weniger problematisch. Andere Kinder sind sehr stark beeinträchtigt, was mit der Zeit zu deutlichen Verzögerungen in der Entwicklung führen kann. Genau diese Variabilität erschwert eine genaue Diagnostik erheblich. Es lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, dass die jeweiligen Symptome auch tatsächlich eindeutig auf das KiSS-Syndrom verweisen.
1.3. Abgrenzung zu anderen pädiatrischen Störungen
Damit betroffene Kinder sinnvoll diagnostiziert und therapeutisch versorgt werden können, ist eine klare Abgrenzung zu anderen pädiatrischen Störungsbildern besonders wichtig. Die mit Abstand häufigste Differenzialdiagnose ist dabei das bekannte Schiefhals-Syndrom. Die Ursache dafür ist eine Verkürzung des Halsmuskels (Sternocleidomastoideus), die muskulär bedingt ist. Darüber hinaus gibt es verschiedene Störungen, die neurologischen Ursprungs sind und ebenfalls Einschränkungen in der Motorik verursachen können.
Ebenfalls vom KiSS-Syndrom abzugrenzen ist das Plagiozephalie-Syndrom (einseitige Abflachung des Kopfes). Dieses meist harmlose Phänomen bei Babys verursacht eine asymmetrische Form des Kopfes und wird aufgrund von Symptomparallelen auch häufig mit dem KiSS-Syndrom assoziiert.
Eine ausführliche Anamnese und auch klinische Untersuchung sind wichtige Faktoren, die zu einer korrekten Diagnosestellung beitragen. Bei Bedarf kann ein bildgebendes Verfahren, etwa Röntgen oder eine Magnetresonanztomographie (MRT), zu einer präzisen Klärung beitragen. Die Einleitung von passenden Fördermaßnahmen für das Kind hängt zentral von einer genauen Diagnostik ab. Das gilt nicht nur für das Störungsbild selbst, sondern auch für die sehr unterschiedliche Ausprägung und daraus resultierende therapeutische Maßnahmen.